Car carriers load cars for export at Yantai Port in Yantai, Shandong province, China, July 2024.
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
9 Minuten Lesedauer

Abstimmung über E-Auto-Zölle + Chinas Aktienmärkte kühlen sich ab + Kennzeichnung von KI-Inhalten

Top Thema

Streit um E-Auto-Zölle geht nach EU-Abstimmung in die nächste Runde

Im Bemühen um ein Verringern von Risiken in den Beziehungen zu China hat die EU trotz Widerstand aus Deutschland in der vergangenen Woche einen wichtigen Schritt getan: Bei der Abstimmung über Zusatzzölle auf in China produzierte Elektroautos stimmten zehn Mitgliedstaaten für den Vorschlag der Kommission, der damit angenommen wurde. Zwölf Staaten enthielten sich, fünf stimmten dagegen. Während mit Frankreich, Italien und Polen drei der größten Mitgliedsstaaten für die Zölle votierten, enthielten sich Spanien und Schweden. Deutschland sprach sich gegen die neuen Maßnahmen aus.

Die EU-Kommission kann nun auf Elektroautos aus China Zölle zwischen 7,8 und 35,3 Prozent zusätzlich zu den bereits bestehenden Abgaben von zehn Prozent erheben. Die Abstimmung zeigte jedoch auch, vor welchen Herausforderungen die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen steht, wenn es darum geht, das „De-Risking“ in den Beziehungen zu China weiterzuverfolgen. Beijing konnte trotz seiner Versuche, Mitgliedstaaten unter Druck zu setzen oder zu umwerben, nichts an der Entscheidung ändern, die Unterstützung für die Zölle jedoch abschwächen.

Als Reaktion auf die Abstimmung verhängte China vorübergehende, sogenannte Antidumping-Maßnahmen gegen europäischen Branntwein, die vor allem auf Frankreich abzielen dürften. Beijing erwägt zudem höhere Import-Zölle auf große Kraftfahrzeuge, die insbesondere Deutschland treffen würden. Und es könnte seine Vergeltungsmaßnahmen auf weitere Importe wie Schweinefleisch und Milchprodukte ausweiten. Letztere werden von den chinesischen Behörden trotz einer EU-Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) derzeit einer Antidumping-Untersuchung unterzogen. Die EU-Kommission kündigte an, Chinas Antidumping-Maßnahmen gegen Branntwein ebenfalls bei der WTO anzufechten und die betroffenen Produzenten „angemessen“ zu unterstützen.

Die Entscheidung vom 4. Oktober stärkt die Position Brüssels in den seit Juni geführten Gesprächen mit Beijing über Alternativen zu zusätzlichen Zöllen. Die Kommission lehnt Chinas Vorschläge für freiwillige Preisanpassungen und Exportbeschränkungen bisher als unzureichend ab. Die weitere Entwicklung hängt davon ab, ob China konkretere Angebote macht, und wie scharf es auf die Zölle reagiert. Die Gespräche könnten auch durch die anstehende Umsetzung der EU-Vorschriften für digitale Märkte, Wettbewerb und Nachhaltigkeit sowie durch geplante EU-Maßnahmen zur Sicherheitszertifizierung digitaler Geräte (auch für vernetzte E-Autos) erschwert werden.

Wie die Abstimmung über die Zölle zeigt, hat die EU noch keinen klaren Konsens über den Umgang mit E-Auto-Importen aus China gefunden. Während mache EU-Staaten jegliche Strafmaßnahmen ablehnen, unterstützen andere die Zölle, auch um Anreize für in China ansässige Hersteller zu schaffen, die Produktion nach Europa zu verlagern. Wieder andere betrachten in China hergestellte Fahrzeuge als mögliches Cybersicherheitsrisiko und drängen auf eine Sicherheitszertifizierung von IKT-Komponenten in chinesischen Elektrofahrzeugen.

MERICS-Analyse: „Der Streit um die E-Auto-Zölle ist in eine neue Phase eingetreten. Ob China nun bereit ist, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden, wird sich auch auf die Umsetzung weiterer De-Risking-Maßnahmen auswirken. Beijing hat bislang zurückhaltend reagiert und bezeichnet seine Maßnahmen teilweise sogar als vorübergehend. China scheint weiter daran interessiert zu sein, eine Lösung mit der EU auszuhandeln. „Die EU muss ihre gestärkte Verhandlungsposition nutzen, denn sie bleibt der letzte große offene Markt, der für China zugänglich ist“, sagt Grzegorz Stec, Leiter des Brüsseler Büros von MERICS.

Medienberichte und Quellen:

METRIX

765 Millionen

So viele Inlandsreisen wurden während der „Goldenen Woche” rund um den chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober registriert. Chinas Ministerium für Kultur und Tourismus meldete im Jahr des 75. Gründungsjubiläums der Volksrepublik einen Zuwachs von 5,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und 10,2 Prozent gegenüber 2019. Es bleibt abzuwarten, ob die erhöhte Reisetätigkeit auch zu einem dringend benötigten Zuwachs des Konsums führen wird. (Quelle: Chinese Ministry of Culture and Tourism)

Topics

Hoffnungen auf weitere Konjunktur-Maßnahmen enttäuscht: Chinas Aktienmärkte kühlen sich ab

Die Fakten: Der chinesische Aktienmarkt hat am Dienstag dieser Woche seine jüngsten Zugewinne wieder abgegeben, nachdem die Wirtschaftsplanungsbehörde NDRC nur vage weitere Konjunkturmaßnahmen zur Stützung der sich abmühenden Wirtschaft signalisierte. Beijing priorisiert auch weiterhin die Strategie, wirtschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren, auch wenn dies schmerzhaft ist. Unterstützung für die schwächelnde Wirtschaft wird begrenzt bleiben. Vor zwei Wochen hatte Chinas Zentralbank (PBOC) mit ihrer Zinssenkung Hoffnungen geweckt – und die Aktienkurse in die Höhe klettern lassen. Kurz darauf weckte auch das mächtige Politbüro der Kommunistischen Partei mit einem Aufruf zu Sofortmaßnahmen zur Stützung der Wirtschaft weitere Hoffnungen auf eine Kursänderung. Vor einer Pressekonferenz der NDRC trieben die Anleger den CSI 300-Index am Dienstag von rund 3.400 Punkten am 26. September bis auf 4.450 Punkte hoch. Der Index fiel jedoch bis zum Tagesende auf etwa 4.260 Punkte.

Der Blick nach vorn: NDRC-Vertreter zeigten sich auf der Pressekonferenz zuversichtlich, dass China sein jährliches Wachstumsziel erreichen wird und erläuterten, wie die Politik dies unterstützt. Sie nannten jedoch kaum Details zur Belebung des Konsums, nur zur – schon länger geplanten – Unterstützung der Sektoren Haushaltsgeräte und Elektrofahrzeuge. Bisherige Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft konzentrieren sich auf die Realwirtschaft, den Immobilienmarkt und die Finanzmärkte. Weitere Ankündigungen sind in den kommenden Wochen denkbar – eventuell erneut von der PBOC oder dem Finanzministerium. Doch Beijing war bislang sehr diszipliniert, wenn es darum ging, die Wirtschaft dosiert zu stabilisieren, ohne zu den umfassenden Wachstums-Stimuli der Vergangenheit zurückzukehren.

MERICS-Analyse: „Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen in Beijing sind seit Jahren klar – die Regierung wird genug tun, um die Wirtschaft zu stabilisieren und einen Absturz zu verhindern. Aber sie ist auch bereit, den Preis einer notwendigen Korrektur des Wirtschaftsmodells zu bezahlen“, sagt MERIS-Experte Jacob Gunter. „Die Unterstützungsmaßnahmen zielen darauf ab, China zur industriellen und technologischen Supermacht zu machen. Die NDRC-Pressekonferenz spiegelt dieses langfristige Ziel wider und zeigt, dass sich trotz der Hoffnungen der Anleger für Chinas nichts Grundlegendes geändert hat.“

Medienberichte und Quellen:

Chinas neue Regeln zur Kennzeichnung von KI-Inhalten als mögliche Blaupause für den Westen

Die Fakten: Chinas Cyberspace-Verwaltung (CAC) hat neue Maßnahmen zur Regulierung von Inhalten vorgeschlagen, die durch Künstliche Intelligenz (KI) erzeugt werden. Dieser Schritt könnte womöglich eine Blaupause für Europa und die USA sein, die sich bisher um weitreichende, übergreifende Regeln bemüht haben. Alle Länder sind besorgt über schädliche Inhalte wie Betrug und Falschinformationen, auch wenn China und der Westen in dem Wunsch gespalten sind, die Rede im Internet streng zu kontrollieren oder so viel Freiheit wie möglich zu lassen. Chinas neue Regeln schreiben vor, dass KI-generierte Inhalte als solche gekennzeichnet und mit der Identität des Urhebers in Verbindung gebracht werden müssen. Das gilt für alle Formen von KI-generierten Inhalten, also Texte, Bild-, Audio- und Videoinhalte.

Der Blick nach vorn: Beijing hat früh mit der Regulierung von KI begonnen und nach und nach Vorschriften für einzelne Technologiebereiche erlassen. Dadurch konnte es schneller vorankommen als die USA oder Europa, deren Regulierungssysteme kaum mit den technologischen Entwicklungen Schritt halten, weil sie versuchen, ein breiteres Spektrum öffentlicher und privater Interessen in den Prozess einzubeziehen. Die neue Verordnung der CAC folgt auf frühere Vorschriften, die eine klare Kennzeichnung der erzeugten Inhalte vorschreiben. Die jüngsten Maßnahmen enthalten konkretere Angaben zur Kennzeichnung und machen die Diensteanbieter (etwa Video-Hosting-Plattformen) verantwortlich dafür zu sorgen, dass die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte diesen Anforderungen entsprechen.

MERICS-Analyse: „Chinas schnelles Tempo bei der KI-Regulierung spiegelt seine anhaltend strenge Kontrolle über das Internet und die Informationskontrolle wider“, sagt MERICS-Expertin Wendy Chang. „China reguliert schnell einzelne Bereiche, anstatt übergreifende Vorschriften zu erarbeiten. Dieser Ansatz macht es möglich, mit den raschen technologischen Entwicklungen im Bereich KI Schritt zu halten. Die neuen Regeln für die Kennzeichnung KI-generierter Inhalte könnten anderen Ländern durchaus als Beispiel dienen.“

Medienberichte und Quellen:

Beijings Reisebeschränkungen betreffen sogar Lehrer und Rentner

Die Fakten: Immer mehr Angestellte im öffentlichen Dienst, darunter Lehrer und selbst Rentner, sind in China offenbar von strengeren Reisebeschränkungen betroffen. Die Regierungen der Stadt Chongqing und Quanzhou in der Provinz Fujian beispielsweise haben kürzlich die Umsetzung der 2016 verabschiedeten Regeln für Auslandsreisen von Mitarbeitern standardisiert. Die Einschränkung der Reisefreiheit, über welche die „Financial Times“ Anfang Oktober berichtete, lässt vermuten, dass Chinas Sicherheitsapparat besorgt ist über vom Ausland ausgehende ideologische Bedrohungen und befürchtet, dass Beamte dem Land den Rücken zukehren könnten.

Der Blick nach vorn: Die Beschränkung der internationalen Reisefreiheit einer wachsenden Zahl von Menschen ist im Kontext der gestiegenen Bedeutung des Themas nationale Sicherheit für die Kommunistische Partei unter Xi Jinping zu sehen. Lokalregierungen haben in den vergangenen Jahren Bürgerinnen und Bürger zunehmend vom Reisen abgehalten. Ganz im Gegensatz zu den späteren 1990er Jahren, als China die Regeln für Reisen ins Ausland lockerte. Für Chinesinnen und Chinesen wurde es einfacher, einen Reisepass zu bekommen, und viele gingen ins Ausland, um dort eine Ausbildung zu machen, zu arbeiten oder zu reisen. Seit Beginn der Coronapandemie 2020 hat China deutlich weniger Reisepässe ausgestellt. Dass Beijing Auslandsreisen reguliert, ist nicht neu; die Pandemie dürfte den Behörden geholfen haben, von ihren Instrumenten konsequenter Gebrauch zu machen.

MERICS-Analyse: „Das strenge Reisemanagement, mit dem Parteifunktionäre und Führungskräfte seit langem vertraut sind, greift nun auch auf andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst über, darunter Grundschullehrer und Rentner“, sagt MERICS-Analyst Alexander Davey. „Xi will die Ordnung aufrechtzuerhalten, indem er seine Bürger überwacht – die Kontrolle darüber, wohin diese reisen können, passt ins Bild. Die Reisefreiheit dürfte ein weiterer Bereich werden, in dem China einen grundlegend anderen Ansatz als der Westen verfolgt.“

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

Xi Jinping stimmt bei Rede zum 75. Jahrestag der VR China auf schwierige Zeiten ein (The Guardian)

In seiner Rede vor rund 3.000 Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas und ausländischen Würdenträgern am Vorabend des chinesischen Nationalfeiertags, lobte Xi außerdem den Fortschritt Chinas seit der Gründung der Volksrepublik vor 75 Jahren. Große Feierlichkeiten blieben dieses Jahr jedoch aus. (1.10.24)

Pakistan will Bewegungsfreiheit chinesischer Bürger zu deren Schutz einschränken (Reuters)

Die pakistanischen Behörden wollen die Bewegungsfreiheit chinesischer Bürger um das Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit am 15. und 16. Oktober in Islamabad einschränken, wie drei Sicherheitsbeamte und ein interner Sicherheitsbericht mitteilten. Am 6. Oktober waren zwei chinesische Ingenieure bei einem Bombenanschlag in der Nähe des internationalen Flughafens von Karatschi getötet worden. (9.10.24)

China überschwemmt Weltmarkt mit Lithium, sagt US-Beamter (Reuters)

Jose Fernandez, Staatssekretär für Wirtschaftswachstum, Energie und Umwelt im US-Außenministerium, warf chinesischen Lithiumproduzenten bei einem Besuch in Portugal vor, den Weltmarkt zu überschwemmen und gezielt einen Preisverfall zu verursachen, um Konkurrenten auszuschalten. (8.10.24)

Chinesin in Deutschland wegen Spionage für Waffenfirma inhaftiert (BBC)

Laut Staatsanwaltschaft hat sie wiederholt Informationen über Flüge, Passagiere und militärische Frachttransporte des Flughafens Leipzig/Halle an einen Kontakt im chinesischen Geheimdienst weitergeleitet. Der Flughafen gilt als wichtiger Umschlagplatz für Rüstungsexporte, insbesondere in die Ukraine. (1.10.24)